Das Wichtigste von allem

Von edith-aleit

Juni 15, 2021

Heilwissen, ICH-Kraft

Teil 1 - Für die Gemeinschaft Deutscher Geist - 

Anne hatte die Schwiegermutter mit Frühstück versorgt und war auf dem Weg nach Haus zu ihrem kranken Mann. Die Vögel zwitscherten fröhlich, die Wiese blühte, der Morgen war lau und die Kirschblüte begann. Wenn die Zweige die kleinen und größeren Perlen-Knospen tragen und die ersten Blüten offen sind, sieht der Kirschbaum aus, als trüge er ein Hochzeitskleid, dachte Anne. Jedes Jahr war sie auf´s Neue von dieser ersten Blütenpracht fasziniert. Deshalb wählte sie heute den Weg durch den Park und setzte sich an ihrem Lieblingsplatz auf eine Bank, schloß die Augen, lauschte dem Vogelsang und atmete tief durch.
So löste sich ein Teil der Spannung, die auf ihr lastete: Sie hatte sich ihr Leben wirklich anders vorgestellt! Als die Kinder aus dem Haus waren, wollte sie sich endlich weiterbilden und mit ihrem Mann einige Reisen unternehmen. Stattdessen war sie seit Jahren mit der Versorgung Angehöriger beschäftigt, und für´s Reisen fehlte das nötige Geld. Und nun war auch ihr Mann erkrankt und wenig Hoffnung auf Besserung.

Anne vernahm neben sich ein Geräusch und öffnete die Augen. Ein alter Mann mit langem, schneeweißem Haar hatte sich zu ihr gesetzt. Sie grüßte ihn freundlich und wollte sich erheben, doch er bat sie, ihm etwas Gesellschaft zu leisten. Sie kamen miteinander ins Gespräch, der Alte fragte viel und Anne gab ihm vertrauensvoll Antwort. So kam es, daß sie ihm auch von ihrem Lebens-Dilemma erzählte, daß sie beruflich einfach nicht vorwärts kam, weil sie immerzu in familiäre Verpflichtungen eingebunden sei.
Der Alte erkundigte sich, was sie denn hätte lernen und gern geworden wäre, und Anne gab zur Antwort, daß sie gern echte Heilkunst erworben hätte. "Wie gedachtest du, diese Kunst zu erlernen?" fragte der Alte. "Nun, es gibt hier in der Nähe eine Schule, die altes Wissen vermittelt. Es ist ja leider viel verloren gegangen. Doch erst fehlte mir das Geld für diese Ausbildung und nun die Zeit", sagte Anne traurig.
"Du sprichst ganz richtig von ALTEM Wissen", sprach der Alte. "Kannst du dir vorstellen, daß es von Zeit zu Zeit sogar notwendig ist, daß Wissen verloren geht, damit es passend für eine neue Zeit auf neue Art wieder hervortreten kann?" Anne sah ihn ungläubig an. "Woher wollen wir solches Wissen nehmen?" fragte sie nach einer Weile. Der Alte lächelte und sagte: "Früher sprach die Natur selbst zu den Menschen. Doch diese Zeit ist abgelaufen! Heute soll sich jeder Mensch ein erkennendes Bewußtsein schaffen, indem er die ihn interessierenden Lebens- und Naturvorgänge so durchdenkt und solange denkerisch durchkaut, bis sie in der Größe verdaulicher Häppchen sich ihm zu erkennen geben und ihm Erkenntnis werden. Auch zu den Naturwesen soll er eine neue Art des Zugangs finden." "Das klingt aber sehr anstrengend", gab Anne zu bedenken. "Ja!" lachte der Alte. "Es ist wirklich anstrengend! Jede Erkenntnis ist wie eine Ausgrabung kosmischen Wissens, das durch Denken und Erdenken neu geschöpft wird. Es ist ein Schöpfungsvorgang!"

Der Alte sah sie mit wachem Blick aus auffallend klaren Augen an und fragte: "Was glaubst du, ist das Wichtigste, das du einem Menschen geben oder antun kannst?"
Dieser Blick ging durch Anne hindurch und schien ihr Innerstes zu durchleuchten. Sie dachte nach, fand in sich aber keine Antwort.
Der Alte nickte und sprach: "Wenn du dich zutiefst ratlos und hilflos fühlst, wäre es dann hilfreich, einen Menschen zu haben, der einen auf dich genau zugeschneidertenn Rat mit passendem Lösungsangebot zu finden vermöchte?" "Ach, das wäre wunderbar!" erwiderte Anne. "Aber solch einen Menschen kenne ich nicht..." Der alte Mann nickte wieder. Dann ließ er seinen Blick aufmerksam auf ihr ruhen und sprach mit tiefem Ernst in der Stimme: "Dann werde du für deine Mitmenschen solch ein Mensch!" Nach einer Weile setzte er hinzu: "Das wird auch deinem Selbst gut tun!"

Anne dachte an ihre Familie, an die erlebten Erfahrungen und sagte entmutigt: "Wie soll ich das werden? Seit Jahren zerbreche ich mir den Kopf, was helfen könnte, und sie lehnen das meiste ab." "Wie findest du heraus, was einem anderen zu helfen vermag?" fragte der Alte weiter. "Nun, ich versuche mich in sie hineinzuversetzen und überlege, was mir an ihrer Stelle helfen könnte", sagte Anne.
"Ja", fuhr der Alte fort, "und wenn du es so versuchtest, daß du ohne all deine Eigenheiten Zugang zu ihnen suchst?" Anne schaute ihn fragend an.

"Ich beschreibe es anders", fuhr er fort, "bist du dir darüber im Klaren, daß du neben den Rollen als Mutter, Ehefrau, Schwiegertochter usw. und den Personen im öffentlichen Leben wie Angestellte, Kundin, Vertragspartner, Autofahrerin usw. noch eine ganze Theatergruppe mit dir herumträgst? Also: einen Skeptiker, eine Heulsuse, einen Draufgänger, einen Hilfsbereiten, eine Fürsorgliche, einen Wissbegierigen, einen Bequemling und eine Starke, und, und, und...?" Anne nickte: "So habe ich es noch nicht betrachtet, aber ja: sie sind mir alle vertraut."
"Das ist gut!" fuhr der Alte fort. "So eine quirlige Truppe sollte einem Theaterdirektor unterstehen und seinen weisen Anordnungen folgen. Doch solch ein weiser Dirigent ist in den Menschen der heutigen Zeit zwar vorhanden, er ist aber noch im Wachstum begriffen und meist noch nicht so stark in Erscheinung getreten. Es handelt sich dabei um unser werdendes ICH, unser ewiges reines, weises Selbst, das wir zur Entfaltung und Erstarkung bringen sollen. - Kannst du mir folgen?" Anne hing staunend an seinen Lippen: "Ja, ich kann deinen Worten folgen." "Gut. Um nun einen Zugang zum anderen Menschen zu finden, müßte deine Theatergruppe beiseite treten und zurückbleiben, während dein Direktor mit echtem Interesse am anderen Menschen die Bühne betritt. Interesse heißt dazwischen sein. Und darum geht es: dein ICH betritt den Frei-Raum zwischen dir und deinem Mann als Beispiel. Und dieses quasi nackte, pure Selbst ist in der Lage, zu hören, was der andere hört, zu sehen, was er sieht, zu fühlen, was er fühlt, usw. Hat sich dein Selbst einen gewissen Eindruck sowohl von der augenblicklichen als auch von der Gesamt-Situation deines Mannes bilden können, nimmst du dein Selbst wieder in die Gesamtheit deines Seins auf, legst das Gefundene vor dich hin und findest mit der Gesamtheit deiner Theatergruppe und allen euren Erfahrungen Lösungen für deinen Mann. - Verstehst du den Unterschied zu deiner Vorgehensweise?"

Anne vollzog seine Darlegung nach und ließ sie auf sich wirken. Dann traf sie die Erkenntnis wie ein Schlag: "Ja!" rief sie. "Ja! Jetzt verstehe ich es! Der Unterschied besteht darin, daß ich bislang von meiner eigenen Warte aus nach Lösungen suchte! Die Aufgabe ist aber die, alle eigenen Gedanken und Vorstellungen und Befindlichkeiten abzulegen und sich wie ein Kind auf etwas ganz Neues, noch Unbekanntes einzulassen!" Der Alte lachte und sprach: "Ja, genau! So ist es! - Wenn du es fertigbringst, in dieser Art Rat und Hilfe für deine Mitmenschen zu suchen, so wird es dir gelingen, Lösungen zu finden, die sie auch annehmen können." Anne nahm seine Hand und dankte ihm herzlich. Sie blickte in die seltsam klaren Augen des Alten und ihr schien, sie sähe in die Unendlichkeit des Sternenhimmels... -

Ihr Telefon klingelte. Sie wandte sich entschuldigend zur Seite und hörte ihren Mann, der fragte: "Hallo, Anne! Wo bleibst du? Geht es dir gut?" - "Ja, ich bin im Park und komme gleich", gab sie zurück. Als sie sich wieder dem alten Mann zuwandte, war die Bank neben ihr leer und weit und breit niemand zu sehen.
Verwundert lehnte sie sich zurück und bedachte das gehabte Gespräch. "Sollte es so einfach sein, Lösungen zu finden, die die Menschen annehmen können?" dachte sie. "Naja, einfach wird es wohl nicht, ohne jede Eigenheit auf andere zuzugehen... Aber ich kann es üben!" -
Frohen Herzens ging sie mit neuer Zuversicht heim und einem neuen Leben entgegen.

Beitragsbild: Quelle

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